Dinkelfeld
© V. Brabec-Wolf
Regionale ProduzentInnen

Die Kraft des Dinkel

Auch nach Ende des 15-Jahre-Jubiläumsjahres des UNESCO Biosphärenpark Wienerwald sind wir in der Lebensregion unterwegs und stellen regionale ProduzentInnen vor. Das Interview mit Verena Brabec-Wolf vom Wolf-Hof führen wir Lockdown-bedingt übers Telefon. Das herzliche Lächeln von Verena und die Aussicht auf die sanften Hügel rund um den Hof müssen wir uns also dazudenken.

Verena Brabec-Wolf ist am Wolf-Hof im Rauchengern, das zur Biosphärenpark Wienerwald Gemeinde Pressbaum gehört, aufgewachsen. Ihre Großeltern haben den Betrieb schon recht früh, in den 1970ern, von einer gemischten Landwirtschaft auf einen spezialisierten Grünlandbetrieb mit Pferdehaltung und Urlaub-am-Bauernhof umgestellt. 2010 hat Verena den Betrieb schließlich übernommen. 2015 kamen außerdem die Ackerflächen der Familie ihres Mannes in Rappoltenkirchen, das zur Gemeinde Sieghartskirchen gehört, dazu. Heute ist der Betrieb wieder ein bunter Mischbetrieb, auf dem Ackerflächen und Grünland bewirtschaftet werden und auf dem neben Pferden auch einige Mutterkühe und Freilandschweine leben. Der Betrieb ist außerdem demeter-zertifiziert.

© Nadja Büchler
Neben den Freilandschweinen leben noch Pferde und Mutterkühe am Wolf-Hof.

Der Dinkel, der kann was

Wie kam es nun dazu, dass auf den Feldern der Familie Brabec-Wolf Dinkel wächst? „Zu der Zeit als wir die Felder vom ehemaligen Pächter wieder zurückgenommen haben, hat sich herausgestellt, dass mein Mann eine Weizenunverträglichkeit hat – und zwar speziell gegen diesen hochgezüchteten Industrieweizen. Wir waren daher auf der Suche nach regionalem Bio-Dinkel. Damals gab es in der Region aber keinen, der nächste direktvermarktende Betrieb war schon im Mostviertel. Und dann ist es auf der Hand gelegen, dass wir auf unseren Feldern eben unseren eigenen Dinkel anbauen, und zwar ganz ursprüngliche Sorten… Seitdem hat mein Mann übrigens keine Probleme mit Unverträglichkeiten mehr“, beginnt Verena.

Anfangs waren die Bauern aus der Umgebung skeptisch. „Sie haben gesagt: Da bei uns geht Bio nicht, das funktioniert nie.“ Als dann die erste Ernte gedroschen wurde, waren alle mehr als überrascht. „Ein anderer Landwirt hatte so etwas wie eine Marienerscheinung“, erzählt Verena lachend. „Er hat gesagt: Das gibt’s nicht – ihr spritzt nicht, ihr streut keinen Kunstdünger, und trotzdem kommt da so viel heraus.“ Den Gedanken, möglichst viel Ertrag aus einer Fläche herauszuholen, gab es für die Familie Brabec-Wolf aber gar nie:

„Nachdem wir die Flächen wieder übernommen und auf biologische Landwirtschaft umgestellt haben, war für uns nur wichtig, den Boden wieder gesund zu bekommen.“

„Unser Vorteil war dabei vielleicht, dass wir sehr unbedarft an den Ackerbau herangegangen sind. Wir wussten ja gar nicht, was im konventionellen Landbau alles möglich wäre. Jemand, der von konventioneller auf biologische Landwirtschaft umstellt, ist da vielleicht mehr im Wieglwogl“,ergänzt Verena. Die Felder der Familie Brabec-Wolf allerdings werden seit 2015 nur mit biodynamischen Präparaten versorgt, die den Boden beleben und aktivieren sollen.

Von Anfang bis Ende lebendig

Getreideprodukte stehen für viele von uns fast täglich auf dem Speiseplan. Aber welchen Weg geht so ein Dinkelkorn eigentlich, bis es fein vermahlen und zu Brot verbacken verspeist wird?

Alles beginnt mit der Aussaat im Spätherbst, etwa Ende Oktober oder Anfang November. Nach dem Auflaufen, der Bildung von Wurzeln und ersten kleinen Trieben, folgt eine Winterruhe. Die jungen Pflanzen warten geduldig, bis die Tage endlich wieder deutlich länger als die Nächte sind. Die sogenannten Langtagpflanzen, zu denen auch der Dinkel gehört, haben so einen Vorteil: In Regionen mit kalten Wintern lassen sie sich nicht von wärmeren Wintertagen in die Irre führen, sondern warten, bis nicht mehr mit gröberen Kälteeinbrüchen zu rechnen ist.[1]  Dann scharren sie in den Startlöchern, bis es Ende März langsam wärmer wird. Dann geht es los, die jungen Pflanzen schießen in die Höhe. „Vor kurzem, Ende April, haben wir ein Horn-Kiesel-Präparat direkt auf die Pflanzen ausgebracht, um sie zu stärken.“ Danach wird das Unkraut mehrmals mechanisch entfernt. „Und danach überlässt man alles der Natur und dem Wetter. Wir versuchen, so wenig wie möglich einzugreifen. Aber natürlich ist man den Elementen ausgesetzt. Einmal ist es zu trocken, dann ist es wieder zu feucht“, erklärt Verena. Ende Juli, Anfang August, wenn das Getreide dann schön ausgereift und trocken ist, wird geerntet.

„Der Dinkel ist das einzige Getreide, das mit dem Spelz gedroschen wird. Es muss anschließend noch entspelzt, also von seiner natürlichen Hülle befreit werden“,

führt Verena weiter aus. „Diesen Schritt müssen wir aktuell noch extern machen lassen, aber wir hoffen, dass sich auch dazu in der Zukunft Kooperationspartner in der nahen Umgebung finden.“ Danach wird der Dinkel in handlichen 25 Kilogramm Portionen in Papiersäcke verpackt und bis zum Mahlen gelagert. Das Mahlen passiert immer möglichst frisch. „Wobei es ja da unter dem passionierten BäckerInnen auch verschiedene Meinungen gibt. Die einen sagen, das Mehl muss noch möglichst lebendig sein, die anderen meinen, die Teigführung gelingt leichter, wenn das Mehl nicht mehr ganz ganz frisch ist. Eine richtige Wissenschaft! Ich versuche, auch hier einen Mittelweg zu gehen“, meint Verena lachend. „Und es ist einfach schön zu sehen, dass keine Getreideernte wie die andere ist. Und diese Lebendigkeit, vom Anfang im Boden, bis zum gemahlenen Mehl, geht natürlich auch in das fertige Lebensmittel über.“

Absolut special

So beschreibt Verena die Arbeit mit den gemütlichen, kräftigen Norikern, mit denen die Familie einen Teil ihrer Ackerflächen bearbeitet. „Idealerweise arbeitest du im Team, mit deinem Partner und den Tieren. Eher gegen Abend, wenn andere vielleicht spazieren oder Motorradl fahren gehen, dann sind wir am Feld, eine Arbeit wird erledigt, und wenn dann langsam die Sonne untergeht… ist das gleichzeitig trotzdem sehr entschleunigend.“

Sowohl Verena als auch ihr Mann sind mit Pferden aufgewachsen. „Das Kutschenfahren war schon immer ein Steckenpferd von meinem Mann. Da war die Pferdearbeit der nächste logische Schritt“, erzählt Verena. „Natürlich bearbeiten wir nicht alle Felder nur mit den Pferden, das wäre gar nicht möglich, aber es lässt sich immer wieder gut integrieren.“

© V. Brabec-Wolf
Bei der Arbeit mit den Pferden wird der wertvolle Boden im Vergleich zur Bearbeitung durch Maschinen weniger stark beansprucht und verdichtet.

Im Gegensatz zu schweren Maschinen, bieten Arbeitstiere einige Vorteile: Zum einen sind sie in Situationen einsetzbar, in denen Maschinen schnell am Ende wären. „Vor kurzem hatten wir etwa einen Einsatz zum Holzrücken in Gablitz. Der Waldboden war da noch so gatschig, da wären wir mit Maschinen einfach steckengeblieben. Aber mit den Pferden war das überhaupt kein Problem.“ Außerdem wird der wertvolle Boden im Vergleich zur Bearbeitung durch Maschinen weniger stark beansprucht und verdichtet. „Auf einem unserer kleineren Äcker, den wir regelmäßig mit den Pferden bearbeiten, kann man das sehr gut beobachten, wie die Erde im Laufe der Zeit lockerer wird und sich positiv verändert.“ Darüber hinaus zwingt die Arbeit mit Tieren auch dazu, ab und zu Verschnaufpausen einzulegen. „Am Traktor geht es meist darum, zu tun, was nur geht und möglichst viel Meter zu machen. Mit den Tieren geht das aber nicht, da muss man das Tempo anpassen. Man muss die Signale erkennen, die einem zeigen, dass es jetzt Zeit für eine Pause ist, damit man sich nicht körperlich und geistig total verausgabt. Das hilft dabei, sehr achtsam mit sich selbst und der Umwelt umzugehen.“

Zum zweiten Mal haben die Familie Brabec-Wolf und ihre Pferde heuer auch eine klimaneutrale Christbaumabholung nach Weihnachten in Rappoltenkirchen übernommen. „Das war sehr nett. So musste auch nicht das Gemeindeauto fünf Mal hin und herfahren und die abgeräumten Christbäume einsammeln, sondern wir haben das mit dem Wagen gemacht.“ Gleichzeitig kann so mit etwaigen Vorurteilen gegenüber Arbeitspferden aufgeräumt werden. „Manche denken, die machen nur Mist auf der Straße. Aber wenn wir dann mit den Tieren vorbeikommen, sind alle begeistert.“

Nicht davor scheuen, LandwirtInnen anzusprechen

Zum Abschluss unseres Gesprächs, will uns Verena noch eines mitgeben: „Obwohl ich in einer Landwirtschaft aufgewachsen bin und seit mehreren Jahren selbst Ackerbau betreibe, fällt es mir, wenn ich mal im Supermarkt bin, schwer, mich zwischen den vielen verschiedenen Gütesiegeln und Logos zu entscheiden. Daher finde ich es schon sehr wichtig, dass die Leute die Möglichkeit nutzen, Einblick in eine Landwirtschaft zu gewinnen, ob im Rahmen eines Einkaufs bei DirektvermarkterInnen, oder am Tag-der-offenen-Hoftüre. Damit sie auch wissen, wie ihre Lebensmittel hergestellt werden und wieder ein G’spür für diese Lebendigkeit bekommen.“

Kontakt:

Wolf Hof – Fam. Brabec-Wolf
Rauchengern 3
3021 Pressbaum, Niederösterreich
Telefon+43 2233 52363
E-Mailzimmer@wolfhof.at
Web: www.naturgut-brabec.at


© V. Brabec-Wolf

Aus dem Dinkelmehl der Familie Brabec-Wolf lassen sich herrlich knackige Dinkelcracker herstellen. Zum Rezept geht es hier entlang…


[1] https://www.iva.de/iva-magazin/schule-wissen/die-biologische-uhr-des-getreides


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