BPWW/B. Paya
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Vom Lesen zwischen den Zeilen

An diesem windigen, kühlen Oktobertag zeigt sich der Himmel über der Thermenregion grau in grau, das Laub der Weinstöcke um uns herum strahlt dafür aber umso bunter. Mit Aussicht auf die sanften Hügel und den malerischen Ort genießen wir die Gemütlichkeit einer urigen Laube inmitten der Rebzeilen. Und da hören wir auch schon das Tuckern und Knattern eines alten Traktors. Kommen da unsere heutigen GastgeberInnen angefahren?

Wir sind in Bad Vöslau, am südöstlichen Rand des Biosphärenparks Wienerwald. Im Familiengespann betreiben hier Julia Herzog, ihr Partner Manuel und Mutter Susanna Herzog das Weingut Herzog sowie den dazugehörigen Brunngassenheuriger. Seit letztem Jahr sind sie auch Biosphärenpark-Partnerbetrieb. Und da biegen die drei auch schon um die Ecke – auf einem Gefährt, das den Namen „Weingartentraktor“ mehr als verdient hat. Alt, rot, klein, mit grünem Anhänger. „Der Traktor wird tatsächlich zum Arbeiten benutzt, der ist nicht zur Inszenierung da – der sieht nur so kitschig aus, weil er  einfach wirklich alt ist!“, erklärt Manuel lachend nach der Begrüßung.

Mit PartnerInnen einen Kreislauf schaffen

Bei einem Rundgang durch den herbstlichen, für heuer schon großteils abgeernteten Weingarten erzählt uns Julia von ihrem Betrieb. Neben dem Weinbau auf zwölf Hektar und dem Heurigen haben die Herzogs noch ein weiteres Standbein, den Ackerbau. Das Weingut Herzog ist also ein Mischbetrieb. „Aber der Wein hat immer Priorität!“, betont Julia. Auf den Äckern wird hier viel Dinkel angebaut. Dieser wird selbst vermahlen, zu Dinkelreis verarbeitet und ab-Hof verkauft. Dazu kommen noch weitere Getreidesorten und Luzerne. Letztere wird für einen Partnerbetrieb angebaut. „Wir versuchen auf gewisse Weise einen Kreislauf herzustellen. Dieser Partnerbetrieb nutzt die Luzerne für seine Bio-Milchkühe. Und im Gegenzug bekommen wir wertvollen Mist von ihm.“ Neben Kuhmist wird auch Hühnermist von den Freilandhühnern von Julias Schwester genutzt. Dieses Wirtschaften im Kreislauf spielt gerade eine große Rolle auf dem Weingut Herzog, denn es wird auf biologische Landwirtschaft umgestellt. Es war Julia ein großes Anliegen, diese Umstellung durchzuführen, auch wenn sie innerhalb der Familie erst ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten musste. „Sicher kostet jede Umstellung Energie. Aber wenn es dann einmal läuft – und das tut es einfach – dann ist die biologische Wirtschaftsweise am Ende einfach etwas Selbstverständliches, über das man gar nicht mehr nachdenkt“, teilt Julia ihre Erfahrungen mit uns.

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Am Weingut Herzog wird Bio-Landwirtschaft gelebt.

Bio: was das ist – und was nicht

In der Bio-Landwirtschaft ist ein sorgsamer, möglichst durchdachter Umgang mit dem wertvollen Boden essenziell. Neben dem Einbringen von Mist ist deshalb im Weingarten die Gründüngung besonders wichtig. Zwischen den Rebzeilen werden verschiedene Arten eingesät, darunter viel Klee. „Alles, was man vor Ort produzieren kann, muss man nicht extra hinbringen!“, ergänzt Julia noch einen praktischen Aspekt der Gründüngung. Das Großartige an dieser Form der Düngung ist, dass sie nicht nur den Reben und dem Boden guttut, der Weingarten kann durch eine vielfältige Begrünung auch zu einem Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere werden. Eine Oase der Biodiversität entsteht. Beim Spaziergang durch den Weingarten gibt uns Julia den Tipp, zwischen den Zeilen zu lesen. „Zwischen den Rebzeilen im Weingarten hat man so viel Platz, um etwas Wertvolles für die Natur zu machen! Da können so viele unterschiedliche Arten leben!“ In der Tat stellen wir fest, dass hier verschiedenste Gräser und Blütenpflanzen wachsen und auch so manche Spinne hält sich im höheren Gras versteckt.

Julia will jedoch auch mit Missverständnissen und Vorurteilen gegenüber dem Bio-Weinbau aufräumen: „Wir lassen den Wein nicht einfach machen, was er will, da steckt viel Arbeit drin! Die Weinrebe ist immerhin eine Kulturpflanze, die seit ein paar tausend Jahren aktiv vom Menschen geformt wird. Sie würde nicht von Natur aus im Drahtrahmen wachsen, sondern würde sich als Lianengewächs auf einen Baum hinaufschlängeln.“ Der Winzerin geht es darum, ein Gleichgewicht zu schaffen – zwischen dem Naturgut Weingarten und Kulturgut Wein. Dabei legt Julia großen Wert auf robuste und gesunde Trauben: „Unsere Weingärten sind nicht extrem wüchsig, die Beeren nicht extrem groß. Aber dafür sind sie auch nicht so empfindlich!“

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Das Weingut Herzog ist ein Familienbetrieb.

Pét-Weine statt PET-Flaschen

Wie aus den robusten Trauben die edlen Tröpfchen des Weinguts Herzog gewonnen werden, erzählt uns Julia später im Keller. Neben den blitzenden Stahltanks ist es dank der bei der Gärung entstehenden Wärme wohlig warm, ein feiner Geruch nach frischem Sturm wabert umher.

Heuer ist die Kellerarbeit besonders spannend, denn erstmalig versuchen sie sich an „Pét Nat“, wie Julia berichtet. Unserem verwirrten Gesichtsausdruck entnimmt sie, dass wir den Begriff mehr mit PET-Flaschen und Eistee verbinden, als mit Wein. „Pét Nat“ steht für pétillant naturel, französisch für natürliches Prickeln. „Gemeint ist damit die älteste und natürlichste Herstellungsweise für Perl- und Schaumweine“, erklärt Julia. Normalerweise werden Perl- und Schaumweine doppelt vergoren. Zuerst wird aus dem Traubensaft Wein hergestellt und dann wird der Wein durch erneute Zucker- und Hefezugabe ein weiteres Mal vergoren. Dabei erhält er seinen Sprudel. Bei Pét Nat hingegen durchläuft die Traube nur eine Gärung. Diese beginnt im Fass – dort endet sie aber noch nicht. Denn nach einer gewissen Zeit wird der teil-vergorene Traubenmost aus dem Fass in Flaschen gefüllt, wo er die Gärung beendet. Das bei der Gärung in der Flasche entstehende CO2 kann nicht entweichen und sorgt für das notwendige Sprudeln. „Das schwierige bei dieser Methode ist, den richtigen Moment zu finden, um den halbvergorenen Wein in die Flaschen umzufüllen. Er muss die richtige Menge an Restzucker haben. Sonst sprudelt es entweder zu wenig, oder aber es entsteht zu viel Druck in der Flasche“, führt Julia weiter aus. Der Restzucker ist jener Zucker, der eben noch nicht bei der Gärung verbraucht wurde und dann für die Flaschengärung zur Verfügung steht. Wir haben Glück, der Saft der Neuburger-Trauben ist noch nicht in Flaschen abgefüllt worden. So lässt uns Julia einen Schluck frisch aus dem Fass kosten. Köstlich!

Vorbilder bewegen

Auf dem Weingut tut sich also Einiges. Neues wird probiert, Altes verbessert. Wie das im Familienverband funktioniert, erklärt uns Julia: „Jeder hat seinen Bereich, aber Jede und Jeder kennt sich bei den anderen aus und wirkt ein bisschen mit. Ich bin vor allem im Keller. Manuel ist derjenige, der im Weingarten den Überblick hat. Die Mama ist die Erfahrene, die Organisatorin. Sie hat die Zahlen im Blick.“

Wie man ein Weingut letztendlich so erfolgreich führt, kann uns Julia gar nicht genau sagen. Sie betont die Wichtigkeit von Vorbildern. „Bei anderen Betrieben bekommt man einen Eindruck davon, was man machen kann. Vorbilder bewegen einen!“ Doch ein Vorbild allein reicht nicht aus.  Der eigene Einsatz und die eigene Kreativität sind immer gefragt. „Ein allgemeingültiges Geheimrezept gibt es ja nirgendwo. Man muss sich schon sein eigenes zusammenstoppeln!“, meint sie. In ihrem gut gefüllten Alltag findet sie allerdings gar nicht so viel Zeit, sich genauere Gedanken darüber zu machen. Saisonal bedingt ändern sich die Aufgaben ständig. Einmal ruft der Weingarten, einmal der Keller. Der Ruf, den Julia am wenigsten gerne hört, ist jener des Kellers, wenn dieser geputzt werden will. „Im Herbst ist Kellerarbeit angesagt. Achtzig Prozent davon sind einfach nur reinigen, putzen, waschen. Das mag ich zwar nicht, muss aber sein“, sagt sie schulterzuckend. Dafür geht ihr das Herz auf, wenn im Frühling der Weingarten erwacht. „Die Rebe ist mit dem Austrieb recht spät dran, da ist schon fast alles grün. Aber wenn es dann beginnt, ist das jedes Jahr aufs Neue eine Erfüllung. Es ist so faszinierend, wie die Natur das immer wieder macht!“, staunt sie.  

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Für ein Glaserl Wein muss man sich Zeit nehmen.

Zeit für ein Glaserl

Nach dem Besuch im Keller drehen wir noch eine Runde durch den Heurigen. Gerade ist zwar nicht ausg‘steckt, aber die Familie Herzog lässt es sich nicht nehmen, uns trotzdem mit Schmankerln der Heurigenküche zu versorgen. Eiaufstrich und Käferbohnen-Sulz-Salat sind nur zwei Beispiele vom wunderbar gedeckten Tisch! Wir können uns ganz gut vorstellen, wie man hier im liebevoll gestalteten Innenhof und im gemütlichen Stüberl das ein oder andere Gläschen verkostet. „Ich trinke wahrscheinlich weniger Wein als der Durchschnittsbürger!“, merkt Julia dazu lachend an, denn „für ein Glas Wein muss Zeit sein. Je stressiger die Zeit ist, umso weniger trinke ich. Für mich muss ein Glaserl Wein etwas Stressfreies sein, es soll ein Genuss bleiben“.

Gemeinsam mit ihrer Mutter Susanne Herzog und ihrem Lebensgefährten Manuel betreibt Julia Herzog in Bad Vöslau das gleichnamige Weingut sowie den dazugehörigen Brunngassenheuriger. Nach ihrer Ausbildung in der HBLA für Wein- und Obstbau Klosterneuburg, einigen Praktika im In- und Ausland und mit der 2-jährigen Erfahrung in der Funktion der Niederösterreichischen und auch Österreichischen Weinkönigin 2017 bis 2019 hat sie schon vor fünf Jahren Verantwortung sowie einen Teil des Betriebes übernommen. Das Weingut Herzog konnte schon mehrmals bei der Weinprämierung des Biosphärenpark Wienerwald punkten. Dieses Jahr wurde in der Kategorie Süßwein der Eiswein Sweet Eighteen Neuburger prämiert.

3 Kommentare

  • Hans Bungenstab

    Wir leben jetzt schon 20 Jahre mit der Familie Herzog und ihrem Wein und habe immer bewundert, wie sie die nicht einfache Situation mit familiären Zusammenhalt meistert! !
    Danke für die spürbare herzogliche Herzlichkeit, die Gastfreundlichkeit, die weinkönigliche Freundlichkeit und, nicht zuletzt, den guten Wein.
    Ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein erfolgreiches 2021 wünschen
    Hildegard und Hans

  • Anna

    Hallo!
    Ich finde es ein bisserl befremdlich wenn Fam. Herzog auf BIO macht und Biosphärenpark (jetzt auf einmal!) u. rundherum sämtliche Bauern Gift auf ihre Felder und Weintrauben spritzen! Man weiß inzwischen dass sich die Insektizide noch Kilometer weiter ablagern! Immer schön bei der Wahrheit bleiben. Das ist pure Werbung und verlogen bis dorthinaus.

    • Biosphärenpark Wienerwald

      Liebe Leserin, lieber Leser!

      Herzlichen Dank für Ihr Interesse an unseren Beiträgen rund um das Thema „Nachhaltiger Konsum im Biosphärenpark Wienerwald“.
      Der vorliegende Beitrag über den Betrieb der Familie Herzog ist bereits der elfte seiner Art. Auch die zehn vorangegangenen Reportagen behandelten nachhaltig wirtschaftende, landwirtschaftliche Betriebe, die in ein Landschaftsmosaik aus konventionell und biologisch wirtschaftenden Betrieben eingebettet sind.
      Ihre Kritik, dass biologisch angebaute Kulturen der Abdrift von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln aus benachbarten, konventionell bewirtschafteten Flächen ausgesetzt sind, kann daher nur als Kritik an dem in der EU-Bio-Verordnung (und dem aus dieser abgeleiteten EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz) festgelegten Umgang mit Pestizidkontamination bzw. ubiquitärer Pflanzenschutzmittelbelastung und nicht als Kritik am Betrieb der Familie Herzog selbst verstanden werden. Der Umgang mit Pflanzenschutzmittelrückständen in der biologischen Produktion wird ab 1.1.2021 vereinheitlicht – hoffentlich zur Zufriedenheit aller KonsumentInnen (https://www.wko.at/branchen/gewerbe-handwerk/lebensmittelgewerbe/bio-richtlinie-nachweis-von-rueckstaenden.pdf).
      Betriebe wie jener der Familie Herzog werden von uns für Reportagen ausgewählt, weil sie die Idee der Nachhaltigen Entwicklung einer Region, wie sie die Biosphärenpark Wienerwald Management GmbH entsprechend der Vorgaben der UNSECO verfolgt, in ihrer täglichen Arbeit umsetzen (mehr dazu bitte auch hier: https://blog.bpww.at/2020/04/03/15-jahre-15-produkte-wir-stellen-vor/). Außerdem möchten wir Vorbild-Betriebe wie jenen der Familie Herzog unterstützen, damit in Zukunft noch mehr Betriebe auf biologische Bewirtschaftung umstellen und so der von den Bio-LandwirtInnen unerwünschte Eintrag chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel auf ihre Flächen reduziert wird.

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